SAVOIR FAIRE #03/2017

MEINUNG 44 Ein sehr guter Freund von mir arbeitet schon eine hal- be Ewigkeit in der Werbung. Das war schon immer sein Ziel und er setzte in seiner Jugend alles daran, mal da- hin zu kommen. Heute ist er in seinem Traumjob tätig und verantwortet so manchenWerbespot, der über den Äther gejagt wird. Oft sind die Dinger wirklich lustig und erst noch kurzweiliger als mancher Unterhaltungs- streifen. Aber ehrlich ge- sagt hat bei mir einWerbe- spotnochnieeinensolchen Reiz entfacht, dass ich mir das beworbene Produkt oder die gepriesene Dienstleis- tung käuflich erstanden hätte. Ich kenne auch nieman- den, der allein wegen eines TV-Werbespots oder einer Mail ein Produkt erworben hat, schon gar nicht eines, das er vorher noch nicht kannte. Irgendwie werde ich den Gedanken nicht los, dass Werbung mehr kostet als sie nützt, trotz des Wissens darum aber niemand darauf verzichtet. Schliesslich wirbt jeder, der etwas auf sich hält, und kein namhafter Player ‒ welcher Branche auch immer ‒ hat je gewagt, es gänzlich ohne Werbung zu versuchen. Die Werbe- branche selbst wird natürlich nicht müde, ihre Dokt- rin der unbedingten «Must-Have-Werbung» bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu wiederholen. Wer die Homepage einer x-beliebigen Werbeagentur lädt, fin- det irgendwie immer das Gleiche vor. Ein grosses Mar- kenversprechen, gewürzt mit originellen Sprüchen und Texten und der Anspruch, jedem Produkt bzw. je- der Dienstleistung ein solches Image zu verleihen, dass der Konsument bedingungslos zugreift. Identität ‒ so das Credo der Marketingprofis ‒ schafft Erfolg. Aber lassen Sie sich davon nicht ins Bockshorn jagen. Den Erfolg des Unternehmens schaffen immer noch Sie al- lein und Ihre Mitarbeitenden. «Werbung macht nicht etwa Erfolg, sondern Ihr Erfolg macht Werbung», müss- te es korrekterweise heissen. Von daher ist die Branche eher Mitesser als Mitgestalter. Mit Werbung auf Social Media ist die Kreativbranche um einen weiteren Meilenstein gewachsen, den sie konsequent für ihre Zwecke nutzt. Kein Konzern von Ruf, so schallt es von den Werbern, kann es sich mehr leisten, auf den bekannten Plattformen nicht vertreten zu sein. Werbung auf Twitter, Instagram und Facebook seien ein Muss. Doch aufgepasst, das kann ganz schön ins Geld gehen. Denn mit dem blossen Auftritt ist es nicht getan, die Plattformen müssen auch befüllt wer- den, und das ist ziemlich zeitaufwendig und kostet. Da Sie als Unternehmerin oder Unternehmer wahr- scheinlich nicht so viel Zeit haben wie der amtie- rende US-Präsident, sind diese Plattformen eher nichts für Sie. Sie suchen sich daher am besten einen Influen- cer, der bringt den Rubel ganz sicher ins Rollen. Die Werbebranche rechnet nämlich damit, dass allein die Werbeausgaben für die Instagram-Posts in drei Jahren um etwa 150 Prozent zulegen werden und die Zahl der von Marken bezahlten Influencer-Posts auf Instagram sich fast verdreifachen wird. Wenn George Clooney beispielsweise täglich via Instagram seinen Kaffee über den Klee lobt, dann ist er ein grosser Influencer. Schliesslich möchte man Clooney-nah sein und ihm ähneln. Der Genuss derselben Kaffeemarke bringt einen diesem Ziel zumindest einen Schritt näher. So einfach geht das. Aber halt, wer ist denn dieser durchschnittli- che Influencer? Im Schnitt ist er/sie gerade mal 21 Jahre alt (Durchschnittsalter Schweiz: 42 Jahre), zu 62 Prozent Student (in der Schweiz nicht mal 3 Prozent) und zu 68 Prozent weiblich. Sie/er hat 19’918 Follower und ver- bringt mehr als zwei Drittel der Zeit in den sozialen Netzwerken. Klingt nicht nach viel Kaufkraft, aber da- für Einfluss in der grossen Marketingblase. Martin Neff Chefökonom Raiffeisen Schweiz Sie brauchen keinen Influencer «Irgendwie werde ich den Gedanken nicht los, dass Werbung mehr kostet als sie nützt.» Illustration: Daniel Karrer

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